„Erste Hilfe für die Seele“ – In den schwersten Momenten unseres Lebens sind wir oft hilflos und überfordert. Dann ist es gut zu wissen, dass es Unterstützung gibt. Die psychosoziale Notfallversorgung in Sachsen-Anhalt steht bereit, wenn die Welt aus den Fugen gerät. Heute rücken wir die Notfallseelsorge Magdeburg und ihre heldenhafte Arbeit in den Fokus.
Psychosoziale Notfallversorgung in Sachsen-Anhalt: Hilfe in schweren Zeiten
Notfallseelsorge und Notfallbegleitung
Egal ob nach einem tragischen Unfall, einem unerwarteten Todesfall oder einem Gewaltverbrechen – Notfallseelsorger und Notfallbegleiter werden von Rettungskräften und Polizei hinzugezogen, um Angehörige und Betroffene in den ersten Stunden nach dem Ereignis zu unterstützen. Die Begleiter*innen sind speziell geschult und bieten „Erste Hilfe für die Seele“, damit die Betroffenen die Kraft finden, wieder eigenverantwortlich zu handeln.
Einsatznachsorge
Auch für die Einsatzkräfte, die täglich Großes leisten, gibt es Unterstützung. Nach besonders belastenden Einsätzen helfen geschulte Mitarbeiter*innen aus der Notfallseelsorge sowie Feuerwehr und Rettungsdienst den Einsatzkräften, das Erlebte zu verarbeiten. Das Ziel der Einsatznachsorge ist es, dass diese Helfer*innen gestärkt in ihren Dienst zurückkehren können.
Engagierte Mitarbeitende
Die Arbeit der Notfallseelsorger*innen, Notfallbegleiter*innen und Einsatznachsorger*innen ist ehrenamtlich. Sie verfügen über eine umfassende Ausbildung nach hohen Qualitätsstandards und nehmen regelmäßig an Supervisionen teil. Diese engagierten Menschen kommen aus verschiedenen Berufsgruppen und Konfessionen und sichern eine flächendeckende Versorgung rund um die Uhr.
Im Interview
Herr Marcinkowski, können sie denn einen kleinen Einblick geben, wie so ein Einsatz denn aussieht? Gibt es einen Ablauf oder entscheidet man immer individuell?
„Also den klassischen Einsatz gibt’s nicht. Was wir in der Ausbildung lernen, ist, dass man sich tatsächlich in die Lage versetzt und auf die Situation angemessen reagiert.
Das Erste, was man macht, ist erstmal sondieren und wahrnehmen: „In welcher Situation befinde ich mich gerade?“ Das hat etwas ganz Sachliches. Ein Beispiel: erstmal tritt man mit dem Einsatzleiter in Kontakt, lässt informieren und verschafft sich selbst einen Überblick über die Lage. Das kann im Großen sein, mit einem Unfall auf der Straße oder aber im Kleinen auch der Todesfall, der in der Häuslichkeit stattfindet. Es geht immer darum nicht reinzustürzen, sondern erstmal zu schauen. Was ist jetzt in dem Moment meine Aufgabe? Was ist jetzt in diesem Moment nötig? Ich glaube, das, was wir auch durch unsere Lebenserfahrung mitbringen, hilft uns dabei sensibel zu sein. Schnell stellen wir uns die Frage: Wer ist derjenige, der am meisten jetzt die Hilfe braucht? Und meistens sind’s ja die, die eher zurückgezogen sind. Die, die nicht laut schreien. Manchmal kriegt man das selbst mit, manchmal bekommt man den Hinweis: „Gucken sie mal lieber in die Richtung.“ Und dann ist man bei den Menschen, weiß in dem Moment dann gerade dran ist.“
Dann aber nur in dem Moment oder begleiten sie die Menschen auch länger?
„Vorrangig geht es in unserer Arbeit um akute Situationen, das heißt es kann von einer Stunde auch bis zu 4-5 Stunden dauern. Die Aufgabe jedes Einzelnen von uns ist es auch, die Person an die nächstmögliche Hilfeinstanz zu übergeben. Dabei haben wir glücklicherweise ein großes Netzwerk: es passiert ja wie vieles im Leben alles über Netzwerke. Unser Smartphone ist dabei ein unverzichtbarer Begleiter für uns geworden. Schnell können wir Nummern und Adressen heraussuchen und weitervermitteln.
Unsere Notfall-Rückmeldenummer geht meist an unsere Teamleiterin. Sollte es Unklarheiten gegeben haben, können die Personen auch bei weiterem Bedarf Frau Schwedler kontaktieren.“
Frau Pagels, gibt es denn nur diesen Bereich, über den Sie uns etwas erzählen können?
„Nein, zur Notfallseelsorge zählt noch mehr. Wir bieten auch für die Einsatzkräfte unsere Hilfe an. Die brauchen genauso Unterstützung. Manchmal fahren wir direkt an den Unfallort und führen Einzelgespräche durch. Das ist die Akuthilfe vor Ort.
1 bis 10 Tage nach dem Ereignis fahren wir erneut in die Feuerwehren oder Wachen, um dann Einsatznachsorge zu leisten.“
Herr Marcinkowski, wie sind sie zum Verein gekommen?
„Von der Grundidee her stammt die Notfallseelsorge aus den Kirchen. Deswegen sitzen wir auch hier beim evangelischen Kirchenkreis.
Meine Motivation ist, weil ich selbst hauptamtlicher Seelsorger im katholischen Kirchenkreis bin, dieses Ehrenamt nicht sich selbst zu überlassen und uns nicht davor zu drücken den Seelsorgeauftrag zu leisten. Als ein Kollege woanders hin versetzt worden ist, hieß es: die Lücke muss gefüllt werden. Da bin ich dann eingesprungen. „
Wie ist denn der Zusammenhalt unter den Seelsorger*innen?
„Wir sind alle sehr leidenschaftlich in dem was wir tun und wissen genau wie sich solche Einsätze anfühlen. Daher ist es umso schöner, dass wir uns immer gegenseitig anrufen können oder auch persönlich unterstützen.
Alle sind mit sehr großer Motivation dabei und betreiben Seelsorge aus Leidenschaft. Natürlich haben auch wir Familien und Freunde im Hintergrund auf die wir achten und bei unserem Ehrenamt einbeziehen. Da kann mancher von uns nicht sofort los, das ist teilweise sehr herausfordernd.
Wir haben einmal im Monat auch Supervisionen über die letzten Einsätze bei denen wir die Lerneffekte aller Beteiligten und können uns da gut austauschen. Das miteinander Lernen macht viel aus.“
Um wie viele Einsätze handelt es sich?
In den ersten drei Monaten dieses Jahres hatten wir schon 81 Einsätze, davon drei in Schulen und zwei in Kitas. Wir sind für die Lehrer und Erzieher vorrangig im Einsatz aber natürlich auch für die Kinder. Alle waren in Magdeburg und Umgebung.
Was möchten Sie unseren Leser*innen mit auf den Weg geben?
In solchen Ausnahmesituationen reißen scheinbar alle Kontakte oder Vernetzungen. Wenn wir als Notfallseelsorge dann bei den Menschen sind, ist uns ein Satz immer wichtig: „Du bist nicht allein!“ Wir betonen immer, dass jede Person in einem Netzwerk aufgefangen wird und versuchen gemeinsam zu schauen: Wer ist in der Nähe? Welcher Nachbar kann helfen? Wo ist der nächste Verwandte? Wo gibt es eine Selbsthilfegruppe für diese Akutsituation?
Wir warten immer bis z.B. der nächste Verwandte kommt, das können dann auch schonmal zwei bis drei Stunden sein und geben die Person in die Arme eines vertrauten Menschen.
Uns ist wichtig diesen Schutzmantel wieder aufzubauen. Das machen wir stellvertretend für die gesamte bürgerliche Gesellschaft.
Ganz großes aktuelles Thema im Gesellschaftsleben ist die Frage nach der Vereinsamung. Immer mehr Leute, die allein wohnen, fühlen sich in den eigenen vier Wänden einsam und das ist ein großes Thema. In einer großen Stadt, in den Stadtteil-Zentren gibt es immer irgendeinen Ort, wo man hingehen kann. Das sollte jeder von uns im Blick behalten.
Wie können alle Magdeburger*innen dieses Ehrenamt unterstützen?
Wir freuen uns immer über neue Ehrenamtliche! Ganz wichtig dabei: Engagement ist unabhängig von der Konfession oder Religion und bedarf keiner besonderen Qualifikation. Ohne Vorurteile zu sein ist das Wichtigste. Ab 23 Jahren kann man Notfallseelsorger*in werden.
Wertschätzung durch Prämierung
Annemarie Stieler, unsere Marketing-Leitung übergab den Stadthelden-Award und den Spendenscheck in Höhe von 500,00 € am 24. Juni 2024 an die Notfallseelsorge Magdeburg. Stellvertretend nahmen Matthias Marcinkowski und Corinna Pagels die Auszeichnung freudestrahlend entgegen. Die Anerkennung der Notfallseelsorge Magdeburg im Rahmen unserer „StadtHelden gesucht„-Initiative ist ein Zeichen der Wertschätzung für das unermüdliche Engagement und die positiven Auswirkungen, die der Verein in Magdeburg erzielt. Diese Prämierung unterstreicht die Bedeutung des gemeinschaftlichen Zusammenhalts und des genossenschaftlichen Gedankens, der auf gegenseitiger Unterstützung und Solidarität basiert.
Ein Aufruf zur Unterstützung
Wenn Sie die wichtige Arbeit der Notfallseelsorge finanziell unterstützen möchten, können Sie dies unter folgender Bankverbindung tun:
Kontoinhaber: Notfallseelsorge EKM
IBAN: DE 69 3506 0190 1551 9001 14
BIC: GENODED1DKD
Stichwort: Spende Notfallseelsorge